Baba Ram ist in etwa 145 cm gross und Chef über 250 Kühe und Ochsen. Ram war noch ein kleiner Junge, als er damals im Alter von 15 Jahren von seinem kleinen Dorf im Bundesstaat Uttar Pradesh loszog, um nach Arbeit zu suchen. Viel grösser ist er auch heute noch nicht, dafür hat er Arbeit gefunden und passt genau in seine Kiste, in der er seit 50 Jahren schläft.

Text & Bilder: Markus Mallaun


 

Seine hoffnungsvolle Reise auf der Suche nach Arbeit verschlug ihn irgendwie nach Jaipur, der Hauptstadt Rajasthans – dem noch traditionellsten Flecken Indiens. Dort, etwas ausserhalb der Stadt, am Fusse des Affen-Tempels befindet sich eine kleine Ansammlung von schäbigen Hütten. Es sollte von da an für immer sein neues zu Hause werden.

 

Baba Ram Jaipur © Mallaun Photography
Baba Ram Jaipur © Mallaun Photography

Heute ist dort auch der Parkplatz für all jene Reisenden, denen ihr Guide erzählt hat, dass es im Affentempel Affen zu bestaunen gibt. Aber ausser einigen heruntergekommen Ruinen, dreckigen Pfützen und jeder Menge stinkender Affenscheisse befindet sich dort nicht wirklich viel aussergewöhnlich Sehenswertes. Weiter oben auf dem Hügel gibt es zwar noch einen weiteren Tempel mit alteingesessenen Priestern die aussehen wie Bob Marley – aber da die meisten Touristen zu faul sind, um bis ganz nach oben zu klettern und bereits durch den Anblick des Affentempels enttäuscht worden sind, ziehen viele der westlichen Touristen wieder ab und verschwinden in ihren klimatisierten Bussen zur nächsten Station.

 

50 Jahre Kühe

Doch für Baba Ram ist dies der Ort, den er auch in den letzten 50 Jahren höchst selten verlassen hat. Anfänglich arbeitete er als einfacher Gehilfe für den damaligen Besitzer und sorgte sich um die zahlreichen Kühe und Ochsen, die im Umfeld des Affentempels leben. Ram ist übrigens die Abkürzung für Ram Parsda und Baba nennen ihn alle, weil er mit seinen 65 Jahren immer noch unverheiratet ist. Gut möglich, dass Baba Ram auch viel älter ist, so genau weiss das niemand und er selber auch nicht. Denn er besitzt weder eine Geburtsurkunde, noch sonst irgendwelche irdischen Güter. Nur eine grosse Metallkiste, die er zum Schlafen benutzt, einige Tücher die ihm als Kissen dienen und seine Haschpfeife gehören zu seinen Habseeligkeiten. Alles andere bedeutet ihm nichts. Als wir ihm für das Foto ein wenig Geld geben wollte, hat er dankend abgelehnt und gemeint, dass wir von dem Geld lieber etwas Gras für seine Kühe kaufen sollen. 

 

Baba Ram schläft seit 50 Jahren in dieser Metallkiste. Sie ist sein zu Hause und schützt ihn in der Nacht auch vor den Leoparden © Mallaun Photography
Baba Ram schläft seit 50 Jahren in dieser Metallkiste. Sie ist sein zu Hause und schützt ihn in der Nacht auch vor den Leoparden © Mallaun Photography

Die Metallkiste und der Leopard

Seine grosse Metallkiste beschützt ihn auch, wenn er nachts ganz alleine ist und der Leopard um die Gegend schleicht. Tagsüber ist der Fleck gut besucht. All die Touristen, die dort vorbeikommen, zwei Shopbesitzer, die in ihren Hütten Wasser, Chips und Nüsse verkaufen und der Chai-Master, der einen wirklich sehr leckeren, würzigen Indischen Masala-Tee dort verkauft, sind tagsüber bei ihm. Am Abend ziehen sie alle wieder ab. Und Baba Ram ist dann ganz alleine dort oben, in diesem verlassenen Tal. Alleine mit seinen Kühen, den Affen und dem Leopard.

Die Kühe werden regelmässig von ihren Besitzern aus Jaipur zu Baba Ram gebracht und er kümmert sich um all die Tiere. Da es in der Stadt zu wenig Futter gibt, sind sie bei Baba Ram in den besten Händen. Er versteht seine Kühe und man sagt, dass er auch mit ihnen kommunizieren kann. Die grossen Ochsen-Bullen – imposante Erscheinungen, voller Testosteron und kräftigem Nacken – hat er voll im Griff. Ein kurzer Blick und ein zischendes Machtwort reichen aus, um die grossen Jungs in die Schranken zu weisen. Und wenn mal wieder ein junges Kälbchen auf die Welt kommt, dann kümmert sich Baba Ram ebenso fürsorglich um deren Aufzucht, wie um all die anderen Tiere. Die Kleinsten haben bei ihm sogar einen Extraplatz und auch einen separaten Stall. So stellt er sicher, dass es den scheuen Kälbchen an nichts fehlt und sie in der Nacht vor all den Gefahren sicher sind.

In den Hügeln rund um Jaipur gibt es viele wild lebende Leoparden und nicht selten kommt es vor, dass sie sich nachts an den Stallungen von Baba Rams Heiligtum zu schaffen machen. Bereits von Weitem erkennen die Affen die nahende Gefahr und warnen mit ihrem lauten Geschrei davor, dass der geschickte Jäger auf seinen weichen Pfoten im Anmarsch ist. Vor einigen Monaten versuchte eines der eleganten Tiere mal wieder sein Glück und kletterte über die Mauer in den Stall, wo die jung geborenen Kälber untergebracht sind. Doch Baba Ram vertrieb ihn mit lautem Geschrei und einigen nach ihm geworfenen Steinen. Nach einiger Zeit ist ihm dann die Lust nach weiteren Interview-Fragen vergangen. Es sei jetzt Zeit, die Kühe zu melken und die Jüngsten zu füttern, meinte er und verschwand so schnell, wie der Leopard, den er mit den Steinen vertrieben hat.

Text: Markus Mallaun
Bilder: Serpil & Markus Mallaun

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