Heute ist meine neue Fuji X-H1 eingetroffen. Ein Mind Changer. Eine neue Zeitrechnung bricht an. Alles wird anders, besser, schöner, phantastischer. Ist dem so? Und werde ich nun meinen ganzen Nikon-Karsumpel verkaufen? Hier die Antwort.

Text & Bilder: Markus Mallaun

 


 

Kurz eins vorweg: Dies wird kein technischer Review mit Pixel ausmessen und Schärfe raspeln – davon gibts bereits genug im World Wide Interweb. Ich schreibe hier aus einer rein emotionalen und praktischen Sicht.

Lasst uns also etwas tiefer abtauchen in die Materie. Warum habe ich mir dieses Teil angeschafft, obschon ich vollständig mit Kameras ausgerüstet bin? Und lasst uns die Frage klären, ob ich nun mein gesamtes Nikon-Equipment verhökern werde.

Fuji X H1
Unser neustes Baby – die Fuji X-H1

 

Die Spiegelreflex ist der Verbrennungsmotor der Kamera-Branche

Gleich zu Beginn habe ich geschrieben, dass eine neue Zeitrechnung begonnen hat. Dies mag wohl etwas pathetisch klingen, ist aber so. Die Systemkameras sind auf einem Level angekommen, wo Sie den altgedienten Spiegelreflexkameras langsam aber sicher den Rang ablaufen. Ich würde sogar soweit gehen, dass Spiegelreflexkameras über kurz oder lang ihre Daseinsberechtigung verlieren werden.

Früher mal, da brauchte es den Klappspiegel und das Prisma, weil es gar nicht anders ging. Zwischen Auge und Linse war ganz einfach der Verschluss, und durch den kann man nun mal nicht direkt durch das Objektiv kucken. Deshalb haben findige Ingenieure den Spiegel und das Prisma entwickelt.

Und heute? Ganz einfach; Die Technik ist nun soweit, dass man den Spiegel und das Prisma in den Mottenschrank versorgen kann. Die spiegellosen Systemkameras brauchen das nicht mehr. Die Spiegelreflextechnik hat seine Dienste erfüllt und wir sind alle dankbar, dass es diese Technik einmal gegeben hat. Wie bei den Verbrennungsmotoren; Es ist allen klar, dass sie irgendwann mal abgelöst werden. Ob nun Hybrid-, Elektro, Wasserstoff oder Warp-Antrieb in der Zukunft das Rennen machen – irgendwann wird in der Mobilität kein Benzin oder Diesel mehr verbrannt. Und genau so wird es bei den Spiegelreflexkameras sein. Sie werden ausgemustert, weil nicht mehr benötigt. Noch nicht heute. Aber ganz bestimmt in absehbarer Zeit.

 

Das Mäusekino wird zur Kristallkugel

Die Bilder im Live-View-Modus und mit der von Fuji von vielen geliebten Filmsimulation zu fotografieren, hat mein Leben als Fotograf ziemlich auf den Kopf gestellt. Bereits in meinen ersten Berichten über die kleine Fuji X 100F habe ich darüber geschrieben, wie es eine völlig andere/neue Art zu Fotografieren ist. Jahrelang habe ich mich damit auseinandergesetzt, durch den Prismasucher zu kucken und mir vorzustellen, wie der Sensor das Bild schlussendlich belichten wird. Die Erfahrung hat mich gelernt, mein Auge geschult und mein Gefühl darauf sensibilisiert, die Lichtverhältnisse gut einschätzen zu können. Ich zähle auch zu den Fotografen, die am liebsten im Manual-Modus knipsen, um maximale Kontrolle über die noch so kleinste Lichtkorrektur zu haben. Nicht so bei der Fuji. Ich schaue durch den Sucher oder betrachte den Monitor auf der Rückseite und bekomme ein JPG geliefert, was mir sofort zeigt, wie das Bild fertig belichtet aussieht. Vorbei die Zeit, wo man mal erstaunt die Play-Taste drückt und sich denkt: „Ups – das habe ich mir ganz anders vorgestellt.“ Wer das Arbeiten mit einer JPG-Simulation auf einem Monitor noch nie ausprobiert hat, dem kann ich wärmstens anraten, dies umgehend auszuprobieren! Aber Achtung: Suchtgefahr!

 

„We love Fuji-JPG’s und pfeifen auf RAW.“

Das Mantra bei den Profis war klar. RAW, RAW und nochmals RAW. Wer RAW-Files produziert, hat später in der Bildbearbeitung mehr Spielraum und die maximale Datenausgangslage zur Verfügung. Dem ist auch heute noch so. Trotzdem fotografiere ich mit der Fuji öfters auch mal nur mit JPGs oder lass mir beides auf die Karte schreiben. Bei der Nikon immer ausschliesslich RAW. JPG wäre mir nicht mal im Ansatz in den Sinn gekommen. „Es gibt keine unbearbeiteten Bilder.“ ist ebenfalls eines meiner Glaubenssätze. In der Fuji-Community hört man aber ganz andere Liebesbekundungen. Und ich muss ihnen Recht geben. Die Filmsimulationen von Fuji (Provia, Velvia, Astia, Classic Chrome, Pro Neg, Acros und neu Eterna) sind Klassiker und wer sich noch an die alten Analog-Zeiten erinnern kann; Das sind genau die knackigen Filme, die man sich damals als 24er oder 36er Spulen beim Fotofachhändler seines Vertrauens reingezogen hat. Ich fotografiere übrigens gerne im Acros-Modus mit (simuliertem) Rot-Filter. Auch wenn die Bilder später vielleicht in Farbe verwenden werde. Die Schwarz-Weiss-Film-Simulation liefert mir eine gute Vorstellung, wie der Sensor mit den Daten umgeht. Die Fuji X-H1 ist übrigens mit WiFi ausgerüstet. Einfach mit dem iPad oder Smartphone verbinden, Bild auswählen, transferieren und ab damit auf Social Media.

 

Filmen wie ein Herrgöttli

Und noch ein Argument, das mich von der Fuji X-H1 träumen liess: Eingebauter 5-Achsen-Bildstabilisator (IBIS), direktes F-LOG-Format auf der Speicherkarte und 120 geschmeidige FPS für Slowmotion. So, das wars mit der Schwärmerei.

 

„Jeder Bauer braucht einen Traktor.“

Die Nikon ist und bleibt mein Work Horse. Noch nie (!) hat sie mich im Stich gelassen. Ich war damit monatelang in Indien unterwegs. Im Monsun, in der Wüste, am Meer und unter der Dusche. Und als ich für die Eidgenössische Forschungsanstalt eine Bildstrecke über Schneekristalle fotografieren musste, stieg ich mit der Nikon ohne mit der Wimper zu zucken ins Kältelabor bei minus 40 Grad Celsius, was die Kamera ohne Probleme meisterte. Die Fuji hätte wohl bereits in der Wüste die Segel gestrichen und beim Anziehen des Kälteschutz-Daunenanzugs hätte sie vor Zittern in den Batteriegriff gebrünzelt, bei der Vorstellung, dass sie nur bis minus 10 Grad funktionieren wird.

Ich kenne jeden Knopf meiner Nikon im Schlaf auswendig, stelle ohne nachzudenken zwischen Modis hin und her oder arbeite auch bei sich verändernden Lichtsituationen blind im Manual-Modus mit drei Blitzen gleichzeitig ohne auch nur einmal auf eine Taste schauen zu müssen. Wenn meine Hand über den gummierten Nikon-Body streichelt, fühlt sich alles geschmeidig und richtig an und ich weiss, dass ich diesem Baby zu hundert Prozent vertrauen kann. Jahrelang erprobt, von zahlreichen Profis getestet, immer wieder optimiert und einfach nur perfekt.

Dieses Gefühl habe ich bei der Fuji noch nicht. Vielleicht kommt das noch – ist wohl eine Frage der Gewohnheit und Routine. Solange bleibt die Nikon fester Bestandteil meines Equipments und geliebtes Mitglied der Familie.

 

Der schnittige Porsche in der Hand

Um mein Fazit zu beenden: Mit dem Traktor fahre ich nicht in den Ausgang und auch nicht an eine Modeschau. Mit dem schnittigen 911er aber schon. Und genau so ist das mit der Fuji X-H1. Sie ist (noch) eine Lifestylekamera für ganz spezifische Einsatzgebiete. Ich werde damit Reportagen, Editorials und Lifestyle-Bilder knipsen und freue mich schon jetzt auf jeden einzelnen belichteten Pixel. Wer weiss – vielleicht wird die Fuji irgendwann mal das Rennen gegenüber der Nikon machen. Aber noch nicht jetzt – vielleicht morgen. Und ganz sicher erst, wenn Fujis Prime-Linsen durch und durch spritzwasser-fest und staubgeschützt sind.

Text & Bilder: Markus Mallaun

 

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