Einen Gasbrenner, zwei Tassen, eine Pfanne, eine Kelle, etwas Salz und Masalla und einige Eier braucht es, um der berühmteste Koch Indiens zu werden. Über 5’000 Eier sind es, um genau zu sein – soviele Eier verarbeitet der Omelette Man in der Hochsaison täglich in seinem berühmten Omelette-Shop in Jodhpur. Ein kleiner Beitrag im bekannten Indien-Reiseführer Lonely Planet liess sein Geschäft explodieren.
Text & Bilder: Markus Mallaun
Jodhpur liegt Mitten im Herzen Rajasthans – dem wohl farbenprächtigsten und traditionellsten Bundesstaat im Nordosten Indiens. Mit seiner geschäftigen und verkachelten Altstatt, dem mächtigen Fort das über der wuseligen Stadt thront und dem berühmten Clock Tower gilt Jodhpur als eine der interessantesten Plätze und zweitgrösste Stadt Rajasthans.
EIN OMELETTE ALS GESAMTERLEBNIS
Es ist nicht nur das Omelette, das den kleinen Omelette Man Ramkishan bis weit über die Landesgrenzen hinaus bekannt gemacht hat. Es ist das Gesamterlebnis Omelette – an der Kreuzung vor dem Clock Tower Jodhpurs. Man sitzt auf einfachen, kleinen, wackeligen Plastikstühlen neben dem kleinen Kiosk, direkt an der meist befahrenen Durchfahrt zu Jodhpurs Wahrzeichen – dem Clock Tower. Dort hat Ramkishan seinen berühmten Omelette Shop. Es war das Jahr 2001, das sein gesamtes bisheriges Leben auf den Kopf stellen würde.
LONELY PLANET LÄSST DAS GESCHÄFT EXPLODIEREN
Der grösste Reiseführer Indiens – Lonely Planet (für die meisten Indien-Reisenden als die einzig wahre Indien-Bibel bekannt) brachte eine Geschichte über Ramkishan Gawlani – den Omelette Man, wie sie ihn nannten. Ramkishan startete 1974 seinen kleinen Kiosk „Garib Hotel“, wo er mehr schlecht als recht alle möglichen Indischen Gerichte anbot. Unter anderem aber auch verschiedene frisch zubereitete Omelettes. Als dann Lonely Planet sein Omelette als das beste von ganz Indien bezeichnete und seinem bescheidenen Food-Stand die Bezeichnung „Omelette-Shop“ gab, war nichts mehr, wie vorher. Plötzlich kamen täglich mehr Touristen aus aller Welt und wollten seine Omelettes. Mittlerweile ist der Besuch beim Omelette-Man bei vielen Jodhpur-Reisenden fester Bestandteil der zu besuchenden Sehenswürdigkeiten. Trotzdem ruht sich Ramkishan nicht auf seinem Erfolg aus. Jeder, der an seinem Shop vorbeikommt, wird direkt angesprochen. Aktives Marketing ist nötig, denn seit dem Lonely Planet Hype wollten viele auf den Zug aufspringen und bereits auf der anderen Seite der Kreuzung findet man den ersten Nachahmer des berühmten Omelette Shop. Auch er heisst Omelette Shop und umgarnt potenzielle Kunden mit einer Auszeichnung von Trip Advisor.
2001 brachte Lonely Planet eine Geschichte über den Omelette Man aus Jodhpur. Von da an explodierten die Geschäfte Ramkishans.
Doch unsterblich und weltberühmt bleibt nur das Original. Seine Feuerstelle ist noch die gleiche, wie damals. Teile eines schon arg vergilbter Klebers mit der Aufschrift „Recommended by Lonely Planet“ hängen noch heute am wackeligen, improvisierten Abluftkaminschacht über seiner Omelette-Grillstelle – einem stark verkrusteten, schwarzen Gasbrenner an der er seit über 40 Jahren seinen Kochlöffel schwingt. Jedes Jahr, jeden Tag, immer an der gleichen Kreuzung und immer mit dem selben einladenden Lächeln auf dem Gesicht. Der Stolz ist ihm deutlich anzusehen. Denn jeden begrüsst er mit „Hi – highly recommended by Lonely Planet – best Omelette of India. Wanna try?“
DAS MASALA OMELETTE
Ramkishan steht sogar auf einer kleinen Pepsi-Kiste. „Damit ich das Omelette besser sehen kann“ meint er und macht eine neue Mischung für seinen absoluten Best Seller – das Masala Omelette. Eine kleine – auf ihre Art bescheidene – Ode an Indiens Küche.
Simpel verpackt in frisch aufgeschlagenen Eiern, Zwiebeln, einigen rot glänzenden Tomatenwürfeln, mit ein wenig Masala-Gewürz und einer Prise Salz, eingeklemmt zwischen zwei gerösteten Toastbrot-Scheiben. Wer sich dann auf seinem Plastikstühlchen sitzend, den ersten Bissen Masala Omelette zum Munde führt, eingerahmt durch das wuseligen Treiben an der Kreuzung, umgeben von Tuck Tucks, brummenden Enfields, pfeifender Heroe Hondas, Ochsen, Kamelen, verfilzten Strassenkötern, jeder Menge Fussgänger, Wägelchen und Karren – dann und genau dann trifft man die wahre Seele Indiens und kann sich das Omelette als Gesamterlebnis und als eine weitere spannende Geschichte Indiens einverleiben.
JEDER KENNT DEN OMELETTE SHOP
Gleich nachdem man sein letztes bisschen Omelette-Fetzelchen als kulinarisches Erinnerungsstück zwischen den Zähnen hervorgepult hat, überreicht einem Ramkishan eines seiner Gästebücher und bittet einem sich doch ebenfalls bitte dort zu verewigen. 48 solcher Gästebücher besitzt er mittlerweile und dutzende Ordner mit angegilbten Plastikhüllen-Klarsichthalterungen für all die Postkarten und Fotos, die während seiner Karriere als berühmtester Omelette-Brater der Welt, seinen Kiosk erreicht haben. „Omelette Man, near Clock Tower, Jodphpur, Indien“, schreiben die meisten als Adresse auf ihre Postsendungen und alle kommen sie an. Und alle sammelt er in seinen Ordnern. Etwas wehmütig meint er: „Heute schreiben die Leute fast nur noch im Internet. Die alten Postkarten sind stark weniger geworden – die vermisse ich schon“.
DIE ZWEITE GENERATION
Mittlerweile steht mit seinen beiden Söhnen Shyam und Kamlesh bereits die zweite Generation Gawlani am Eierbrater-Tisch. Kamlesh – den älteren der beiden – findet man in erster Linie im kleinen Kiosk, wo er aber nicht nur den Verkauf bedient, sondern zwischendurch auch mit dem Teppichmesser frische Zwiebeln für die Omelettes vorschneiden muss. Shyam, der jüngere, steht zusammen mit seinem Vater an der Omelette Grillstelle und – das selbe verschmitzte Lächeln auf dem Gesicht, und er sprüht nur so von Zuversicht, Stolz und Energie.
DIE WELT ISST OMELETTE
Shyam steht seinem Vater in nichts nach, er kennt auch die unterschiedlichen Geschmäcker seiner Internationalen Kundschaft ganz genau. Koreaner bestellen: „Spicy, less salt or sweet omelette“. Also gewürzt, mit wenig Salz oder sie bestellen ein süsses Omelette. „Spanishs, no spicy, but hot“. Die Germans und Schweizer: „medium spicy“. Und die Mexikaner? „very spicy, more than Indien“.
Taku und Milnako kommen aus der Japanischen Präfektur Mie und reisen zusammen mit zwei Kollegen durch Indien. Sie sind extra für Ramkishans Omelette gekommen. Omelette kennen sie in erster Linie in Form von Tamago auf den Sushis, haben aber im Lonely Planet davon gelesen und möchten sich unbedingt auch im Gästebuch des Omelette Shops verewigen.
Die Postkarten und Briefe sind in den letzten Jahren weniger geworden. Die Kunden schreiben heute lieber im Internet ihre Kommentare.
Das Masala-Omelette ist wirklich sehr zum empfehlen. Es schmeckt vorzüglich! Und gepaart mit dem Gesamterlebnis Omelette Shop, zählt es tatsächlich zu einem der kulinarischen Höhepunkte bei einer Reise nach Jodhpur oder quer durch Indien.
Text & Bilder: Markus Mallaun