Nazan Cortas einzigartiger Weg, ihren Schifffahrts-Traum Wirklichkeit werden zu lassen. Jetzt ist sie die einzige Kapitänin der Türkei und Chef über ihr eigenes Gület „Princess Nazan Deniz“ – ein wunderschöner Zweimaster mit Heimathafen Bodrum.
„Baba, ich möchte Kapitän werden”, sagte Nazan oft zu ihrem Vater. Sanft streichelte er mal um mal seiner Prinzessin mit der väterlichen Hand das golden-blonde Haar und antwortete ihr mit sonorer Stimme: „Canım (Liebling), das ist ein Beruf für Männer. Du wirst einen anderen tollen Beruf erlernen.”
„Aber ich will”, konterte Nazan mit zunehmenden Alter dann auch schon mal trotziger.
Der Vater blieb stets freundlich. Mal um mal antwortete er der heran wachsenden Nazan stets das Gleiche: „Du weisst es doch längst, canım. Die Kapitänsschule ist ein Internat ausschliesslich für Männer. Daran wirst du nichts ändern können, liebe Tochter.”
Für das Mädchen und später auch als junge Frau blieb diese Antwort bis zu ihrem 30. Lebensjahr völlig inakzeptabel. Das ist sehr einfach zu verstehen, wenn man weiss dass Nazan auf einer der vier Prinzeninseln, den Prens Adaları aufwuchs. Sie liegen im Marmarameer, die rund zehn bis 23 Kilometer südöstlich des Bosporus entfernt auf der asiatischen Seite der Millionenstadt İstanbul liegen. Auf den Inseln fahren keine Autos und auch keine Busse. Pferdekutschen und Fahrradfahrer schmücken das Bild dieser Inseln.
Jahr um Jahr, Tag für Tag beobachtete Nazan die vielen Schiffe auf dem Meer und in jedem Momente packte sie das Fernweh. Noch so gern lies sie sich von ihren Gedanken in ihre eigene Traumwelt als «Kaptan der drei türkischen Meere» tragen.
„Besonders angetan war ich von den grossen Gulets, die seit der Antike in Karien gebaut wurden und die auch heute wieder vor allem in Bodrum und Marmaris, meist motorisiert seit 1980 gebaut werden”, sagt Nazan Çorta. Über Jahrtausende hinweg galten die Gulets als Handelssegler, die Amphoren mit Oliven und Wein, Gewürze, edle Tücher und Schwämme entlang der türkischen Küsten beförderten. Heute dienen sie Touristen, die mit so einem prachtvollen Gulet eine «Blaue Reise» machen möchten, um so die Ägäis, das Marmara oder das Lykische Meer zu bereisen.
„Als Kind und Teenager hatte ich nur diesen einen sehnsuchtsvollen Gedanken: Eines Tages werde ich selber so ein Gulet steuern. In Momenten der Verzweiflung dachte ich oft an die tollkühne Kampf-Pilotin Gökçen Sabiha, Kemal Mustafa Atatürks Adoptivtochter, die 1936 Türkei erste Pilotin wurde. So machte ich mir selber Mut, in dem ich mir immer wieder einredete: Was Gökçen Sabiha konnte, schaffe ich auch. Ich werde einen Weg finden um Unmögliches möglich zu machen. Ich werde die erste Hochsee-Kapitänin der Türkei sein!”
Der klassische Weg einer Türkin – Studium, Heirat, Mutter werden…?
Doch zunächst kam es anders. Als brave Tochter folgte sie Babas Wunsch. Nazan Çorta studierte Jura und Deutsch. „Mit Anfang 20 heiratete ich und bekam meine Tochter, der ich den türkischen Namen Deniz gab, der übersetzt Meer bedeutet”, sagt Nazan mit sanfter Stimme. „Erst als ich mich von meinen Mann scheiden liess, war ich endlich frei all’ das machen zu können wonach sich mein Herz immer sehnte. Ja, wir Frauen durchleben mehrere Situationen im Leben, bis einige von uns tatsächlich unserer Bestimmung folgen können. Für meinen Lebensweg war es dennoch hilfreich, dass ich erst als Anwältin arbeitete und dann Mutter wurde um in meiner Ehe zu erkennen, dass das noch nicht alles in meinem Leben gewesen sein kann. Auch wenn ich glücklich schien, vermisste ich tief in meinem Herzen die See. Selbst als erwachsene Frau holten mich nachts meine Träume ein: Ich als Kaptan (Kapitän) auf den drei türkischen Meeren, die den Europäer die schönsten Inseln und Buchten der Türkei zeigt”, erzählt Nazan Çorta.
Der Weg sollte sich langwierig und steinig gestalten
Nazan war Anfang 30 Jahre alt als sie geschieden wurde. Doch auch zu dieser Zeit ist die Kapitän-Internatsschule ausschliesslich für Männer vorgesehen. Selbst im Jahre 2015 hat sich daran nichts geändert. Nazan liess jetzt aber nicht mehr locker. „Es muss doch einen Weg geben, sagte ich mir immer wieder.” Sie machte sich auf die Suche nach einem Kapitän der bereit war, Nazan als Matrose anzuheuern, um so die Lizenz für die Hochsee zu erhalten.
Viele Kapitäne winkten mit der Hand müde ab: „Eine Frau? Nein. Das geht nicht. Ich mache mich doch bei meinen Kollegen nicht zum Gespött”, hiess es oft, erinnert sich Nazan. „Aber, ich blieb hartnäckig und gab nicht auf! Und tatsächlich, einen Kapitän konnte ich von meinen Sprachkenntnissen überzeugen. Er war sichtlich überrascht als ich ihm auch noch die Geschichte von Atatürks Adoptivtochter Gökçen Sabiha erzählte. Ich sagte dem Kapitän: „Du könntest der Erste sein, der eine Kapitänin in der Türkei ausbildet. Dieser Gedanke gefiel ihm. Tatsächlich: er heuerte mich an! Ich erinnere mich noch gut, als er mir seine Hand reichte und kritisch zu mir sagte: „Mal schauen ob du die dreieinhalb Jahre durchstehen wirst. Leicht wird es nicht für dich.”
Während ihrer Ausbildung musste Nazan Çorta lernen, sich in einer reinen Männer-Domäne zu behaupten und durchsetzen. „Das ist harte Arbeit. Nichts für eine zarte Frau″, sagten meine Kollegen oft zu mir. Doch das war mir egal. Ich musste jeden Job erledigen, sonst hätten mich die Matrosen, Kapitän-Anwärter und auch der Kapitän niemals an Bord akzeptiert. Dazu gehörte auch die Toiletten zu reinigen, Kartoffeln schälen, Fische ausnehmen und Kajüten klar Schiff machen”, resümiert Nazan Çorta lächelnd. „Ich war mir für keine Aufgabe zu schade. Allerdings verschaffte ich mir rasch einen Vorsprung, weil ich deutsch und englisch spreche – ein Gewinn für die Crew, vor allem aber für die Gäste, die bei uns für eine «Blaue Reise» anheuerten. So lernte ich im Laufe der dreieinhalb Jahre zu navigieren, Anker werfen und lichten, Segel zu setzen, das Ruder zu steuern, ein Fahrtenbuch zu führen und alles andere professionell um ein Gulet steuern und eine Crew führen zu dürfen”, sagt Nazan Çorta, die inzwischen selbst an die einhundert Matrosen zu Kapitänen ausbildete.
Der Führerschein zur Hochsee macht noch keinen Kapitän!
Während Nazan Çortas Matrosen-Zeit sollte es sich bezahlt machen, dass sie so viele Jahre als Rechtsanwältin in Istanbul gearbeitet hatte. Gemeinsam mit befreundeten Juristen beriet sie sich, wie sie nach der Ausbildung zur Hochsee das Patent zum Kapitän erhalten könnte um offiziell ein Gulet steuern zu dürfen.
„Manchmal denken wir viel zu kompliziert, denn des Rätsels Lösung war relativ naheliegend. Tatsächlich brauchte ich ja nur das Recht, mein eigenes Schiff als Kapitänin steuern zu dürfen. Im Klartext heisst das zwar, das ich auch heute nicht befugt bin andere Schiffe als Kapitänin zu steuern, doch das war ja auch nie meine Idee. Mein Geschäftsmodel stand bereits damals: Ich möchte mit meinem eigenen Gulet, mit meiner eigenen Crew, mit meinem eigenen fantastischen Marketing-Konzept, Deutsche, Österreicher und Schweizer und alle anderen Europäer meine unvergesslichen «Blaue Reisen» anbieten!”
Mit Nazans Raffinesse, Charme und einer grossen Portion Schlagfertigkeit konnte sie alle notwendigen Behörden überzeugen, um sämtliche Dokumente zu erhalten, die notariell beurkundet werden mussten, um das Patent als einzige Kapitänin der Türkei für ihr eigenes Schiff zu erhalten. Stolz sagt sie: „Ich bin Kapitänin meines eigenen Schiffes – «Princess Nazan Deniz»! Ja, ich fühle mich mit dem Meer verbunden und mit meinem Schiff bin ich verheiratet.”
Während vieler ihrer Kollegen heute als angestellte Kapitäne auf einem Gulet arbeiten, machte Nazan Çorta gleich Nägel mit Köpfen. „Vor sieben Jahren kaufte ich die Princess Gelidonya – ein Boutique-Schiff aus Pinien-, Mahagoni- und Teakholz im Rumpf.”
800’000 € kostete das Segelschiff, das mit zwei 360 PS starken Motoren ausgestattet ist, sechs Kajüten für zwölf Personen bietet, die mit je einem Badezimmer mit Toilette, Dusche und Waschbecken ausgestattet sind. „Sehr viel Geld! Aber ich wollte unbedingt ein Segelschiff mit zwei Motoren, denn mit meinem ersten Gulet musste ich erleben, dass ein Motor kaputt gehen kann. Die Wahrscheinlichkeit, das zwei Motoren gleichzeitig kaputt gehen ist gering”, sagt Nazan.
Bei so viel Investition lag es nahe, dass Kaptan (Kapitän) Nazan Çorta mit ihren ersten zahlenden Gästen gleich in See stechen wollte. Doch zunächst musste die «Princess Gelidonya» umgetauft und somit umgeschrieben werden. „Ich wollte mein zweites wie mein erstes Schiff benennen „Princess Nazan”. Doch das hätte wenigstens vier Wochen gedauert. Viel Papierkram”, erinnert sich die findige Nazan. „Deshalb liess ich die «Princess Gelidonya» einfach auf «Princess Nazan Deniz» taufen und umschreiben. So erhielt ich innerhalb weniger Tage sämtliche notwendigen Papiere, um mit meinem Boutique-Schiff in See stechen zu können.
Kapitänin, Chefköchin und Managerin alles in einer Person!
Von Mai bis September ist Nazan Çorta mit ihrem prachtvollem Gulet «Princess Nazan Deniz» auf hoher See. Die motorisierte Segelyacht begeistert vor allem Schweizer und Deutsche, welche die Segelyacht gern zwei bis drei Wochen mieten. Nazan Costa verrät: „Schweizer feiern ihren 50. oder 60. Geburtstag auf meinem Gulet, erfolgreiche Geschäftsabschlüsse, und so manches Paar lässt sich auch gern von mir ganz spontan trauen. Es gibt Pärchen, die sich zum 25. Hochzeitstag als Symbol ihrer Liebe gern ein zweites Mal auf der «Princess Nazan Deniz» von mir trauen lassen”, sagt Nazan lächelnd. Die Trauungen führt die Kapitänin ganz im weissen Jacket und weisser Hose durch. Ihre Käpitäns-Bekleidung lässt Nazan extra anfertigen. Dafür fährt sie seit vielen Jahren zu ihrem griechischen Schneider nach Piräus. „Schwarzes Jacket, weisse Hose. Schwarze Hose, weisses Jacket”, verrät Nazan.
Die Istanbulerin steuert die «Princess Nazan Deniz» nicht nur, sondern sie kocht auch für ihre Gäste und managt die gesamte Reise für ihre Gäste. „Meine Philosophie ist es, meine Gäste in die Welt der Hochsee zu entführen. Sie sollen sich vom ersten Augenblick an Bord mit einem Glas Champagner und frischen Erdbeeren und Himbeeren erholen und ihre hektische Welt in Europa vergessen”, sagt die Kapitänin.
Wer dennoch auf Internet nicht verzichten mag, kann darüber gegen eine entsprechende Tagesgebühr verfügen. Surfen, Tauchen, Jet-Ski – Nazan ermöglicht ihren Gästen nahezu jeden Wunsch.
Freue dich auf paradiesischen Inseln inmitten der Ägäis. Sehe Delphine und Wasserschildkröten, entdecke Seesterne und seltene Fische. Lass dir den Wind um die Nase wehen, geniesse ein Sonnenbad an Deck, spiele Karten, lese ein Buch oder schaue einfach in die endlose Weite und erfreue dich darüber wie die Sonne das Meer zum Glitzern bringt. Nur der Moment zählt. Erlebe wie die Zeit eine völlig ruhende und neue Bedeutung für dich bekommen wird. Ja, hier wird die Leichtigkeit des Seins Realität.
Text: Jacqueline Jane Bartels
Bilder: Serpil & Markus Mallaun